Nach Auffassung von Clemens Ronnefeldt befindet sich die iranische Gesellschaft derzeit im Umbruch: Noch haben die islamische Geistlichen die bestimmende Rolle in Staat und Gesellschaft. Nach dem Sturz des Schah hatte Religionsführer Khomeini dessen gewaltiges Vermögen religiösen Stiftungen
übergeben. Mit diesem Vermögen kontrollieren sie weite Bereiche der Wirtschaft und einen Großteil der Arbeitsplätze. Für jedes Gesetz braucht das
Parlament die Zustimmung des sogenannten Wächterrates, den hohe Geistliche
dominieren. Dieser Wächterrat entscheidet auch, wer als Kandidat bei den
Parlaments- und Präsidentenwahlen zugelassen wird. Zunehmend stark aber
sind die Kräfte, die für eine Öffnung der Gesellschaft eintreten. Viel bewege
sich beispielsweise in der Frauenfrage: zwar sei der Schleier für die Frauen in der Öffentlichkeit Pflicht. Aber bereits jetzt stellen sie ein Drittel aller
Beschäftigten und über 60% aller Studenten. Gerade in der Jugend und in den Großstädten gäbe es starkes Interesse an westlicher Kultur und den Wunsch nach einer Zurückdrängung des dominierenden Einflusses der Geistlichkeit in Politik und Gesellschaft. Ronnefeldt verwies auch auf die großen sozialen
Probleme, die das Land mit seinen knapp 70 Millionen Einwohnern hat: Das
starkes Land-Stadt Gefälle, 40% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, eine erschreckende Jugendarbeitslosigkeit von 45%drängen auf eine Lösung und auf gesellschaftliche Veränderung. Beeindruckt hat Ronnefeldt bei seiner Reise die große Gastfreundlichkeit der
iranischen Bevölkerung und die Toleranz gegenüber religiösen und ethnischen
Minderheiten. So haben beispielsweise die 25.000 Juden einen eigenen Abgeordneten und die 100.000 Christen zwei eigene Abgeordnete im Parlament
in Teheran, die sie aus ihrer Mitte zur Vertretung ihrer Interessen wählen. Trotz
der großen wirtschaftlichen Probleme des Landes hat der Iran allein 2, 5
Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan und über 500.000 aus dem Irak aufgenommen. Ausführlich ging Ronnefeldt auf die Gründe des iranischen Atomprogramms ein: Der Iran verfügt zwar über gewaltige Ölvorkommen und die zweitgrößten Naturgasreserven der Erde, sei jedoch auf die Erlöse aus dem Export von Erdöl und Erdgas angewiesen. Um auch in Zukunft angesichts des wachsenden eigenen Energiebedarfs noch genügend Erdöl und Erdgas exportieren zu können, sei es nach Auffassung der iranischen Führung notwendig, als weitere Energiequelle Atomkraftwerke zu bauen. Um selbst über den notwendigen
Brennstoff zu verfügen und nicht von den Industriestaaten abhängig und erpressbar zu werden, so ihre Position, brauche sie eigene Urananreicherungs- und Wiederaufbereitungsanlagen. Das sei ihr durch den Atomwaffensperrvertrag, den sie im Gegensatz zu Israel unterschrieben habe,
klar erlaubt. Es gibt keinen Beleg dafür, daß der Iran, wie ihm von USA und EU unterstellt wird, ein Atomwaffenprogramm verfolgt. Dies hat auch der Generalsekretär der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) und Friedensnobelpreisträger El Baradei mehrfach klargestellt. Kritisch wurden in der Diskussion die Motive der Konfrontationspolitik der USA beleuchtet: Der Bush Regierung wurde vorgeworfen, keinen Staat im strategisch wichtigen Nahen - und Osten akzeptieren zu wollen, der sich ihr nicht unterwirft und die eigenen Öl- und Erdgasvorkommen nicht privatisiert
und auf diesem Weg den amerikanischen und internationalen Konzernen zur
Ausplünderung überläßt. Während Pakistan, Indien und Israel in der Region
Bereits Atomwaffen besäßen, würden die USA und die EU im aktuellen Streit dem Iran selbst sein durch den Atomwaffensperrvertrag zugesicherte Recht auf Uranumwandlung und Anreicherung für zivile Zwecke verweigern. Obwohl sie sich im selben Atomwaffensperrvertrag vertraglich zur kompletten Abrüstung ihrer Atomarsenale verpflichtet hätten, würden sie seit Jahrzehnten dieser Verpflichtung selbst nicht nachkommen und vielmehr weiter aufrüsten. Die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten, die auch Israel umfasse, und von den arabischen Staaten und den Iran gefordert werde, lehne sie kategorisch ab. Massive amerikanische Bomben- und Raketen- angriffe, wobei auch Bunker - Buster Bombs mit atomaren Spengsätzen zur
Zerstörung der iranischen Atomindustrie zum Einsatz kommen könnten, hätten insbesondere für die Bevölkerung in der ganzen Region, aber auch für den
Frieden in der ganzen Welt verheerende Folgen. Es sei deshalb jetzt notwendig, in der Öffentlichkeit gegen jegliche Kriegspropaganda und für eine friedliche Lösung des Konfliktes einzutreten. Als Kernpunkte für eine friedliche Lösung
nannte Clemens Ronnefeldt die Einrichtung einer ABC Waffen freien Zone
in der Region, die Begrenzung der Reichweite von Raketen, die Förderung
vertrauensbildende Maßnahmen, wirtschaftliche Kooperationsabkommen und
der Ausbau von Städte- und Universitätspartnerschaften, wie die zwischen
Freiburg und der iranischen Stadt Isfahan.
Zum Abschluß rief Clemens Ronnefeldt auf, am Samstag am Ostermarsch in München teilzunehmen.
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