"Es gilt jetzt alles zu tun, um einen Krieg zu verhindern!"
Clemens Ronnefeldt sprach über den Iran und sein Atomprogramm

An diesem Ostersamstag ist Clemens Ronnefeldt einer der Hauptredner beim Ostermarsch in München, mit dem die Friedensbewegung die Bevölkerung gegen einen möglichen Krieg gegen den Iran mobilisieren möchte. Am vergangenen Sonntag sprach der Diplomtheologe und Referent für Friedensfragen des Internationalen Versöhnungsbundes in der Gaststätte "Stegerbräu" über den Iran und den aktuellen Streit um sein Atomprogramm. Im Dezember hatte Clemens Ronnefeldt gemeinsam mit einer 15 köpfigen Friedensdelegation von US-Amerikanern für zwei Wochen den Iran besucht.

letzte Reihe links außen: Clemens Ronnefeld in weißer Jacke

Letzte Reihe links außen: Clemens Ronnefeld in weißer Jacke

Nach Auffassung von Clemens Ronnefeldt befindet sich die iranische Gesellschaft derzeit im Umbruch: Noch haben die islamische Geistlichen die bestimmende Rolle in Staat und Gesellschaft. Nach dem Sturz des Schah hatte Religionsführer Khomeini dessen gewaltiges Vermögen religiösen Stiftungen übergeben. Mit diesem Vermögen kontrollieren sie weite Bereiche der Wirtschaft und einen Großteil der Arbeitsplätze. Für jedes Gesetz braucht das Parlament die Zustimmung des sogenannten Wächterrates, den hohe Geistliche dominieren. Dieser Wächterrat entscheidet auch, wer als Kandidat bei den Parlaments- und Präsidentenwahlen zugelassen wird. Zunehmend stark aber sind die Kräfte, die für eine Öffnung der Gesellschaft eintreten. Viel bewege sich beispielsweise in der Frauenfrage: zwar sei der Schleier für die Frauen in der Öffentlichkeit Pflicht. Aber bereits jetzt stellen sie ein Drittel aller Beschäftigten und über 60% aller Studenten. Gerade in der Jugend und in den Großstädten gäbe es starkes Interesse an westlicher Kultur und den Wunsch nach einer Zurückdrängung des dominierenden Einflusses der Geistlichkeit in Politik und Gesellschaft. Ronnefeldt verwies auch auf die großen sozialen Probleme, die das Land mit seinen knapp 70 Millionen Einwohnern hat: Das starkes Land-Stadt Gefälle, 40% der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze, eine erschreckende Jugendarbeitslosigkeit von 45%drängen auf eine Lösung und auf gesellschaftliche Veränderung.
Beeindruckt hat Ronnefeldt bei seiner Reise die große Gastfreundlichkeit der iranischen Bevölkerung und die Toleranz gegenüber religiösen und ethnischen Minderheiten. So haben beispielsweise die 25.000 Juden einen eigenen Abgeordneten und die 100.000 Christen zwei eigene Abgeordnete im Parlament in Teheran, die sie aus ihrer Mitte zur Vertretung ihrer Interessen wählen. Trotz der großen wirtschaftlichen Probleme des Landes hat der Iran allein 2, 5 Millionen Flüchtlinge aus Afghanistan und über 500.000 aus dem Irak aufgenommen.
Ausführlich ging Ronnefeldt auf die Gründe des iranischen Atomprogramms ein: Der Iran verfügt zwar über gewaltige Ölvorkommen und die zweitgrößten Naturgasreserven der Erde, sei jedoch auf die Erlöse aus dem Export von Erdöl und Erdgas angewiesen. Um auch in Zukunft angesichts des wachsenden eigenen Energiebedarfs noch genügend Erdöl und Erdgas exportieren zu können, sei es nach Auffassung der iranischen Führung notwendig, als weitere Energiequelle Atomkraftwerke zu bauen. Um selbst über den notwendigen Brennstoff zu verfügen und nicht von den Industriestaaten abhängig und erpressbar zu werden, so ihre Position, brauche sie eigene Urananreicherungs- und Wiederaufbereitungsanlagen. Das sei ihr durch den Atomwaffensperrvertrag, den sie im Gegensatz zu Israel unterschrieben habe, klar erlaubt. Es gibt keinen Beleg dafür, daß der Iran, wie ihm von USA und EU unterstellt wird, ein Atomwaffenprogramm verfolgt. Dies hat auch der Generalsekretär der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) und Friedensnobelpreisträger El Baradei mehrfach klargestellt.
Kritisch wurden in der Diskussion die Motive der Konfrontationspolitik der USA beleuchtet: Der Bush Regierung wurde vorgeworfen, keinen Staat im strategisch wichtigen Nahen - und Osten akzeptieren zu wollen, der sich ihr nicht unterwirft und die eigenen Öl- und Erdgasvorkommen nicht privatisiert und auf diesem Weg den amerikanischen und internationalen Konzernen zur Ausplünderung überläßt. Während Pakistan, Indien und Israel in der Region Bereits Atomwaffen besäßen, würden die USA und die EU im aktuellen Streit dem Iran selbst sein durch den Atomwaffensperrvertrag zugesicherte Recht auf Uranumwandlung und Anreicherung für zivile Zwecke verweigern. Obwohl sie sich im selben Atomwaffensperrvertrag vertraglich zur kompletten Abrüstung ihrer Atomarsenale verpflichtet hätten, würden sie seit Jahrzehnten dieser Verpflichtung selbst nicht nachkommen und vielmehr weiter aufrüsten.
Die Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen und Mittleren Osten, die auch Israel umfasse, und von den arabischen Staaten und den Iran gefordert werde, lehne sie kategorisch ab. Massive amerikanische Bomben- und Raketen- angriffe, wobei auch Bunker - Buster Bombs mit atomaren Spengsätzen zur Zerstörung der iranischen Atomindustrie zum Einsatz kommen könnten, hätten insbesondere für die Bevölkerung in der ganzen Region, aber auch für den Frieden in der ganzen Welt verheerende Folgen. Es sei deshalb jetzt notwendig, in der Öffentlichkeit gegen jegliche Kriegspropaganda und für eine friedliche Lösung des Konfliktes einzutreten. Als Kernpunkte für eine friedliche Lösung nannte Clemens Ronnefeldt die Einrichtung einer ABC Waffen freien Zone in der Region, die Begrenzung der Reichweite von Raketen, die Förderung vertrauensbildende Maßnahmen, wirtschaftliche Kooperationsabkommen und der Ausbau von Städte- und Universitätspartnerschaften, wie die zwischen Freiburg und der iranischen Stadt Isfahan. Zum Abschluß rief Clemens Ronnefeldt auf, am Samstag am Ostermarsch in München teilzunehmen.