Drücke "Enter", um den Text zu überspringen.

Stimmen aus Syrien in Zeiten der „Corona -Epidemie“ Bundesregierung beharrt auf dem Aushungern der Syrer

Seit 9 Jahren halten USA, EU und Bundesregierung an ihren Sanktionen gegen Syrien fest. Um den gewünschten „Regimechange“ in Damaskus zu erzwingen, hatten die Nato-Staaten zusätzlich Terrorgruppen finanziert und mit Waffen versorgt. Diese Banden haben in den letzten Jahren gezielt wichtige Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen des Landes zerstört und Industrieanlagen in die Türkei abtransportiert. Weil dieser Druck immer noch nicht genügte, das Land in die Knie zu zwingen, haben US-Truppen inzwischen einen Großteil der syrischen Öl- und Gasfelder besetzt und plündern sie. Selbst die aktuelle Gefahr einer möglichen Ausbreitung des Corona-Virus in Syrien ist für Bundeskanzlerin Merkel und ihr Kabinett kein Grund die Sanktionen gegen das Land aufzuheben. Diese Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal von Millionen Syrern, deren körperliche Widerstandskraft nach einem Jahrzehnt Krieg, Sanktionen, allgemeiner Verarmung und Verelendung geschwächt ist,  hat mit Rassismus natürlich nichts zu tun. 

Sahiounie Lilly in Slounfa June 2015

Lilly Martin Sahiounie ist eine amerikanische Ärztin, die seit vielen Jahren in der syrischen Küstenstadt Latakia lebt. Am 14. April schrieb sie uns: 

„Die Öl- und Gasfelder der syrischen Regierung deckten den inländischen Energiebedarf für Treibstoff und Diesel zu bezahlbaren Preisen für die Fahrzeuge, für Heizöl für die Wohnungen im Winter, für Kochgas für Herd und Öfen. Jetzt sind die größten Ölfelder in den Händen der USA und das Öl wird gestohlen. Die Leute hier haben oft keinen Treibstoff für die Fahrzeuge, kein Heizöl im Winter, und keinen Strom zu Hause, weil die Stromerzeugung auf der Verbrennung von Brennstoff basiert. Nach 9 Jahren Krieg liegt die Wirtschaft in Ruinen. Die Sanktionen von USA und EU hindern die Syrer an jeglichem Wiederaufbau. So müssen beispielweise viele Materialien, Bauteile und technische Artikel importiert werden, um Häuser, Fabriken, Geschäfte usw. wieder zu errichten. Die besten Wasserhähne und Haushaltsgeräte werden in Deutschland, die besten Klimaanlagen in Japan hergestellt, das beste Holz für Bau und Möbel kommt aus Schweden. Wir jedoch dürfen wegen der Sanktionen der EU gegen Syrien nichts aus diesen Ländern importieren. Die Fabrikanlagen von Aleppo wurden von den Terroristen geraubt und in die Türkei abtransportiert. Wir müssten neue Maschinen für die Fabriken kaufen, um Kleidung herzustellen. Die Maschinen werden in Italien, Großbritannien und Deutschland produziert. Wir können keine Maschinen reparieren. Die Sanktionen verhindern das. Solange die US-EU Sanktionen bestehen, kann Syrien niemals wiederaufgebaut werden. Es ist, als ob man einen Ertrinkenden unter das Wasser stößt. Es ist unmenschlich.“

SYRIEN IN ZEITEN DES CORONA-VIRUS

Um eine mögliche Verbreitung des Corona Virus zu verhindern, hat auch die syrische Regierung Schulen, Universitäten, Kirchen, Büros und Geschäfte mit Ausnahme der Lebensmittelläden und Apotheken geschlossen. Das öffentliche Leben ruht und die Bürger haben an ihrem Wohnort zu verbleiben. Pater Bahjat Elia Karakach aus Damaskus hat uns dazu ebenfalls am 14.4. geschrieben:

 „Gott sei Dank, haben wir in Syrien wenig Fälle (insgesamt 25) und nur 2 Tote.  Unsere Regierung hat jedoch gleich zu Beginn der Pandemie Vorsichtsmaßnahmen getroffen. Sämtliche Büros wurden geschlossen, kulturelle und religiöse Tätigkeiten eingestellt und eine Ausgangssperre von 18 Uhr bis 6 Uhr, an Feiertagen und Wochenende von Mittag bis 6 Uhr verhängt. Alle Grenzen zu den Nachbarstaaten wurden geschlossen.

Wir haben hier Angst, dass sich dieser Virus verbreitet, weil unser Gesundheitswesen während des jahrelangen Krieges große Schäden erlitten hat. Viele Krankenhäuser wurden von den Terroristen zerstört und die übrig gebliebenen reichen bereits für die laufende Versorgung der Bevölkerung nicht aus, erst recht nicht im Fall einer Pandemie.

Das Embargo, das die westlichen Staaten gegen uns verhängt haben, verschärft das Problem. Es verhindert, dass die technische Ausrüstung in den Krankenhäusern erneuert und das notwendige Material, um Leben zu retten, eingekauft werden kann. Wir befinden uns deshalb in keiner einfachen Situation. Trotzdem richtet die Regierung einige Krankenhäuser für den Krisenfall vor, falls die Infektionen zunehmen sollten. Der Industriekammer in Aleppo ist es zudem gelungen, eigene Beatmungsgeräte „Made in Syrien“ zu entwickeln. 

Nicht vergessen werden darf, dass diese Wirtschaftsrezession die ärmsten Familien trifft, die bereits viel unter dem Krieg gelitten haben. Betroffen sind sehr viele Arbeiter, vor allem diejenigen, die schwarz arbeiten (das ist kein kleiner Prozentsatz). Deshalb befürchten wir in der Tat eine humanitäre Katastrophe. Einige zaghafte Initiativen aus der Zivilgesellschaft und von religiöser Seite haben sich gebildet, diesen Menschen zu helfen. Auch das Sozialministerium hat eine Stelle eingerichtet, bei der Familien in Not registriert werden, um sie zu unterstützen. Aber es ist nur ein Betrag, der 40 Dollar entspricht.“

Ein Dank aus Damaskus

Mittlerweile dauert das gezielte Aushungern des syrischen Volkes 9 Jahre an. Wie war es möglich, dass sich die Fraktion der Linkspartei in der Debatte im Bundestag am 19. Januar 2012 über den Aufruf „Kriegsvorbereitungen stoppen! Embargos beenden! Solidarität mit den Völkern Irans und Syriens“ von den wenigen eigenen Abgeordneten distanziert hat, die den Mut hatten, ihn zu unterzeichnen? (1) Wie ist es möglich, dass es über alle diese Jahre in unserem Land keine Mobilisierung der Mitglieder der Linkspartei durch ihre Führung,  keine Massenkundgebungen und Demonstrationen der Friedensbewegung gegen die Sanktionen gab?  Darüber brauchen wir dringend eine schonungslose Diskussion.

Pater Bahjat Elia Karakach

Es gibt aber auch eine kleine gute Nachricht zu berichten: der Sauerstoffgenerator, bei dessen Finanzierung viele Leser der „Nachdenkseiten“ mit ihren Spenden mitgeholfen haben, konnte vor wenigen Tagen im Italienischen Krankenhaus in Damaskus installiert und in Betrieb genommen werden. Es war nicht leicht gewesen, dem Krankenhaus das Geld für den Kauf des Gerätes zukommen zu lassen: Seit der schweren Finanzkrise im Libanon haben die dortigen Banken Guthaben in den benötigten EUR nur noch in Raten und in Kleinstbeträgen ausgezahlt. Dann folgte auf die Meldungen von der Ausbreitung des Corona – Virus die Schließung der Grenzen. Vor 3 Wochen erreichte uns schließlich nachfolgendes Schreiben aus Damaskus: 

„Ich bin Dr. Fares, Leiter des Italienischen Krankenhauses in Damaskus, Syrien, und möchte mich bei Ihnen für ihre Hilfe und für die Großzügigkeit der Spender bedanken, die uns das Geld für einen Sauerstoffgenerator zukommen ließen. Gott sei Dank geschah dies, denn gerade als wir die Zahlung erhielten, fiel der Kompressor unseres alten Generators aus und der bisherige Sauerstoffgenerator war nicht mehr nutzbar. Dank Ihrer großzügigen Hilfe konnten wir sofort dafür sorgen, dass für ihn der Kompressor für den neuen Generator installiert wurde. Dies konnte sofort geschehen, so dass Sie uns vor einer schlimmen Situation bewahrt haben. (Schwester Carol wird Ihnen ein Foto des neuen Kompressors morgen zusenden). Den zweiten Teil des neuen Generators werden wir in den nächsten zwei Wochen erhalten. Sobald er komplett installiert ist, werden wir ihnen Fotos schicken. Es ist sehr wichtig für uns und für unsere Patienten diesen Sauerstoffgenerator zu haben, zu deren Sicherheit und aus Kostengründen, da der Sauerstoff an sie kostenlos abgegeben wird. Sie können also verstehen, wie sehr wir und unsere Patienten Ihr Handeln und Ihre Großzügigkeit schätzen. Wir benötigen immer noch Hilfe, vor allem mit Blick auf die COVID 19 (CORONA) – Pandemie, bezüglich Beatmungsmaschinen, Desinfektionsmittel und den Schutz unserer Mitarbeiter sowie der Patienten. Nochmals Dank an Sie!“ 

Jetzt hat uns die Leiterin des Krankenhauses, Schwester Tahhan, überglücklich Bilder und ein kurzes Video des komplett installierten Sauerstoffgenerator übermittelt. Für uns als lokale Friedensgruppe ist das Anlaß und Ermutigung, unsere humanitäre Hilfe konsequent weiterzuführen. Gleichzeitig gilt es in Gesprächen mit Freunden und Bekannten, in Verbänden und Organisationen, die Aufklärungsarbeit über die Sanktionen und ihre Folgen vorantreiben. Die Sanktionen gegen Syrien, genauso wie gegen den Iran, Venezuela und Cuba müssen endlich fallen!

Wer unsere humanitäre und Friedensarbeit unterstützen möchte, den bitten wir um Spenden auf unser Konto bei der Sparkasse Pfaffenhofen an der Ilm: Freundschaft mit Valjevo e.V., IBAN DE06 7215 1650 0008 0119 91

  1. Plenarprotokoll Deutscher Bundestag, Rede von Ulrich Maurer, http://dipbt.bundestag.de/doc/btp/17/17152.pdf