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Geschichtsklitterung nach dem Geschmack der USA

Leserbrief vom Bernd Duschner

Die westlichen Staats- und Regierungschefs haben bei ihrer Gedenkfeier in Portsmouth die erfolgreiche Landung alliierter Streitkräfte in Nordfrankreich am 6. Juni 1944 (!) als DEN Wendepunkt im 2. Weltkrieg gefeiert, so als ob USA und Briten das Hauptverdienst am Sieg über das NS-Regime zukommen würde. Gleichzeitig behaupteten sie in ihrer Erklärung, sich mittlerweile seit über 75 Jahre für Frieden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einzusetzen. Für Donald Trump war das sicherlich Musik in den Ohren. Ganz anders dürfte die Erklärung in den Ohren der Völker der Dritten Welt geklungen haben, die ihre Unabhängigkeit nach dem 2. Weltkrieg gegen die früheren Kolonialmächte mit Millionen Toten erkämpfen mussten, wie z.B. Algerien, Kenia oder Vietnam. Immer wieder werden sie wie aktuell Venezuela, Syrien, Nordkorea und Iran mit völkerrechtswidrigen Sanktionen und Kriegsandrohungen erpresst bzw. mit Krieg (Irak, Libyen) überzogen. Der 2. Weltkrieg war zum Zeitpunkt der Landung der Alliierten längst entschieden: Im Winter 1941 war der Vormarsch der Wehrmacht vor Moskau zum Stehen gebracht worden, 1942 folgte die schwere Niederlage von Stalingrad und 1943 scheiterte die letzte deutsche Offensive bei Kursk. Danach war die geschlagene Wehrmacht nur noch auf dem Rückzug. Den endgültigen Todesstoß versetzte ihr die Rote Armee mit der „Operation Bagration“ im Sommer 1944: 28 deutschen Divisionen gingen verloren, die Heeresgruppe brach zusammen, die Russen standen an der Weichsel. Dass der Sowjetunion das Hauptverdienst an der Zerschlagung des NS Regimes zukommt, zeigen die Opferzahlen: 13 Millionen Soldaten verlor die Sowjetunion, 400.000 die USA, davon 100.000 im Kampf gegen Japan. 80% der deutschen Soldaten fielen im 2. Weltkrieg an der Ostfront. Als die Nationalsozialisten 1933 die Gewerkschaften zerschlugen und mit der Aufrüstung für den Krieg gegen die Sowjetunion begannen, hatten die herrschenden Kreise in den USA dagegen nichts einzuwenden: Die deutschen Tochterunternehmen von US Konzerne wie die Fahrzeughersteller Opel und die Fordwerke in Köln, die DEHOMAG (IBM) und IG Farben als Partner von Standard Oil konnten dank der Aufrüstung ihre Gewinne rapide steigern. Die USA verdienten zudem kräftig am Export von Benzin und Motoröl an Hitler, die dieser für seine Panzer benötigte. Der Import erfolgte über spanische Häfen. Eine Zerschlagung der sozialistischen Sowjetunion war ganz in ihrem Sinn. Die USA sahen deshalb wohlwollend zu, als Hitler unter Bruch des Versailler Vertrages, die Reichswehr in das entmilitarisierte Rheinland schickte, Österreich eingliederte, die Tschechei, Polen und den ganzen Balkan für seinen Aufmarsch gegen die Sowjetunion besetzte. Als die Wehrmacht schließlich die Sowjetunion überfiel, propagierte Harry Truman, US-Senator und späterer US-Präsident am 24. Juni 1941: „Wenn wir sehen, dass Deutschland auf der Gewinnerstraße ist, müssen wir Russland helfen, und wenn Russland auf dem Weg ist, den Sieg davonzutragen, dann müssen wir Deutschland helfen, so dass auf diese Weise auf beiden Seiten so viele wie möglich umkommen…“. Ein möglichst langer Krieg, in dem sich die europäischen Mächte zerfleischten, konnte den USA nur zur Vormachtstellung verhelfen. Der Antisemitismus der Nazi hatte die herrschenden Kreise in den USA wenig gestört. Hetzbücher wie „Der internationale Jude“ des Industriellen Henry Ford, das Hitler stark inspiriert hat, waren in den USA Bestseller. Flüchtende Juden, die 1939 mit dem Dampfer „St. Louis“ einreisen wollten, wurden nach Europa zurückgesandt. Strikte Rassentrennung und Rassendiskriminierung gegenüber Nichtweißen waren damals Alltag in den USA. Noch bis in den 60er Jahren verboten „Gesetze gegen die Rassenvermischung“ in zahlreichen US-Staaten Mischehen. Warum also die späte Landung in der Normandie im Juni 1944, als die Niederlage von Nazi-Deutschland bereits unvermeidlich feststand? Sie war für die USA notwendig geworden, damit sie die Neugestaltung West- und Mitteleuropas nach dem Krieg bestimmen und dabei ihre eigenen Interessen durchsetzen konnten. Dazu galt es den antifaschistischen Kräften in Europa wie der Resistance in Frankreich und der Roten Armee zuvorzukommen, mussten ihnen die Früchte ihres Erfolges möglichst noch entrissen werden.

Erschienen im Donaukurier am 20. Juni 2019.