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In Syrien auf dem Weg in den Abgrund

Zum Abschuss eines israelischen Kampfflugzeuges über Syrien und zur Gefahr einer weiteren Ausdehnung des Krieges im Nahen Osten

In der UN-Charta sind die Grundsätze festgehalten, die zwischen Staaten einzuhalten sind, um Kriege zu vermeiden: Gegenseitige Achtung ihrer Souveränität und Integrität, Verzicht auf Gewalt und Gewaltandrohung. Die Entwicklung immer mörderischerer Waffensysteme macht die strikte Einhaltung dieser Grundsätze noch dringlicher.

Es muss deshalb erschrecken, wie selbstherrlich gegenüber einem Land wie Syrien das Völkerrecht missachtet und wie unbekümmert eine militärische Konfrontation mit der Atommacht Russland in Kauf genommen wird: Seit Monaten greift Israel immer wieder mit Raketen und Bomben Ziele in Syrien an. Bei einem solchen Bombenangriff im Westen von Damaskus hat die syrische Luftabwehr am 10. Februar einen israelischen Kampfjet über syrischem Territorium abgeschossen. Für unsere Kommentatoren wie zum Beispiel Torsten Henke („Ein Pulverfass“, erschienen am 12. Februar) sind jedoch nicht die eindeutig völkerrechtswidrigen Bombardements der Israelis in Syrien, sondern die syrische Verteidigung eine „militärische Provokation“. Der „Araber“ hat sich gefälligst von unseren „Freunden“ widerstandslos bombardieren zu lassen.

Was Israel, das seit 1967 die wasserreichen syrischen Golanhöhen besetzt und 1982 unter Bruch des Völkerrechts annektiert hat, recht ist, ist den USA billig: Sie haben kurdische Milizen mit „gemäßigten“ islamistischen Kämpfern unter ihrem Kommando als „Demokratische Kräfte Syriens“ zusammengeschlossen, auf syrischem Boden bewaffnet und militärisch ausgebildet. Mit diesen Hilfstruppen und unter massivem Einsatz ihrer Luftwaffe haben sie sämtliche Teile Syriens östlich des Euphrat unter ihre Kontrolle gebracht. Sie wollten damit der syrischen Armee bei der Befreiung dieser Regionen von ISIS zuvorkommen, um sich der dort gelegenen größten Ölvorkommen des Landes zu bemächtigen. „Öl ist viel zu wichtig, als dass man es den Arabern überlassen könnte“, lehrte schon der frühere US-Außenminister Henry Kissinger. Dass die USA es damit ernst meinen, haben die US-Luftstreitkräfte mit einem Blutbad an syrischen Soldaten am 7. Februar 2018 in der syrischen Provinz Deir Ezzor deutlich gemacht. Rund 100 von ihnen wurden getötet, als ihre Einheiten versuchten, ein syrisches (!) Ölfeld zurückzugewinnen. Ohne die Proteste der Regierung in Damaskus auch nur zu beachten, haben die USA mittlerweile im Norden und Osten Syriens Tausende Soldaten stationiert und zehn eigene Militärstützpunkte errichtet. Sie möchten, wie ihr Verteidigungsminister Mattis klarstellte, langfristig bleiben und zur Abspaltung ihres Protektorats „Nordsyrien“ eine 30 000 Mann starke Grenzsicherungstruppe aufbauen.

Nato-Partner Türkei will da nicht zurückstehen: mit aus Deutschland gelieferten Panzern versucht die türkische Regierung, die vor allem von Kurden bewohnte syrische Provinz Afrin zu erobern. Wie Hyänen stürzen sich die USA und ihre Freunde auf das ausgeblutete Land. Zu all diesen Aggressionen schweigt die Bundesregierung. Gleichzeitig hält sie eisern an ihren Wirtschafts- und Finanzsanktionen fest, die Syrien selbst den Einkauf von medizinischen Geräten und Medikamenten für seine Bevölkerung und erst recht jeden Wiederaufbau nahezu unmöglich machen. Sie schreit aber auf, wenn die syrische Armee gegen Salafisten vorgeht, die sich in Stadtteilen wie Ost-Goutha noch verschanzt halten und von dort, wie die Vertreter der Kirchen vor Ort berichten, tagtäglich die Innenstadt von Damaskus mit Mörsern und Raketenwerfern beschießen und die Bevölkerung terrorisieren.

Noch können wir Bürger weiter wegschauen. Angela Merkels Freund Erdogan und die geschlossenen Grenzen sorgen zumindest vorläufig dafür, dass wir mit dem Elend der syrischen Bevölkerung und neuen Flüchtlingen nicht konfrontiert werden. Wir sollten uns aber bewusst sein: Wenn die Vorschriften des Völkerrechts, deren Einhaltung, vergleichbar mit der Straßenverkehrsordnung im öffentlichen Verkehr, zwingend notwendig sind, um kriegerische Zusammenstöße zwischen den Staaten zu verhindern, skrupellos missachtet werden, steuern wir direkt auf den Abgrund, die Katastrophe für uns alle, zu.

Bernd Duschner
Pfaffenhofen

Leserbrief Bernd Duschner, Donaukurier, 23.02.2018.
Quelle: http://www.donaukurier.de/interaktiv/leserbriefe/ueberregional/art76949,3693373