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Schlagwort: Michel Collon

Den Krieg in Libyen verstehen

von Michel Collon

Was sind die wahren Ziele der USA? An diesem Punkt unserer Überlegungen angelangt, können wir aufgrund mehrere Tatsachen, die These vom humanitären Krieg oder einer impulsiven Reaktion auf die Ereignisse als endgültig widerlegt betrachten. Wenn Washington und Paris jegliche Verhandlungen entschlossen abgelehnt haben, wenn sie bereits seit einiger Zeit am Aufbau der libyschen Opposition „gearbeitet“, detaillierte Konzepte für eine Intervention vorbereitet hatten und sich ihre Flugzeugträger bereits seit längerer Zeit für eine Intervention bereit hielten (wie es US Admiral Gary Roughead, Chef der US Seestreitkräfte bestätigt hat : „Unsere Streitkräfte waren bereits gegen Libyen positioniert“, Washington, 23. März), dann bedeutet das zwangsläufig: Dieser Krieg wurde nicht im letzten Augenblick als Reaktion auf überraschend eingetretene Ereignisse beschlossen. Er war im Gegenteil geplant. Mit ihm werden Ziele verfolgt, die über die Person Gaddafis weit hinausgehen. Welche Ziele sind das?

DIE ZIELE DER USA GEHEN ÜBER DAS ÖL WEIT HINAUS

In diesem Krieg gegen Libyen verfolgen die USA gleichzeitig mehrere Ziele:

1. Kontrolle über das Erdöl.
2. Sicherheit für Israel.
3. Verhinderung der Befreiung der arabischen Welt.
4. Verhinderung der afrikanischen Einheit.
5. Installierung der Nato als Gendarm für Afrika.

Das sind viele Ziele? Jawohl, wie bei den vorhergehenden Kriegen gegen den Irak, Jugoslawien und Afghanistan. Ein Krieg dieser Art ist teuer und mit großen Risiken für das Ansehen der USA verbunden, vor allem, wenn sie ihn nicht gewinnen sollten. Wenn sich Obama in einen solchen Krieg begonnen hat, dann weil er sich davon große Vorteile verspricht.

Ziel 1: Kontrolle über das gesamte Erdöl

Manche sagen, es handle sich dieses Mal nicht um einen Krieg um Erdöl. Der Anteil des libyschen Erdöl an der Weltproduktion sei unbedeutend. Zudem habe Gaddafi bereits Öl an die Europäer verkauft. Sie haben das Wesen des „Weltkrieges um das Erdöl“ nicht verstanden. Mit der Verschärfung der allgemeinen Krise des Kapitalismus, wird die Auseinandersetzung zwischen den Wirtschaftsmächten immer verbissener geführt. Bei diesem Spiel geht es um hohe Einsätze: Um den eigenen Multis einen Platz am Spieltisch zu sichern, muss jede Großmacht an allen Fronten kämpfen: Märkte erobern, Regionen mit profitablen Arbeitskräften unter ihre Kontrolle bringen, sich große öffentliche und private Aufträge verschaffen, sich Handelsmonopole sichern, Staaten, die ihr Vorteile bieten können, unter ihre Kontrolle bringen. Vor allem aber muss sie sich die Kontrolle über die begehrten Rohstoffe sichern, allen voran, über das Erdöl.

2000 haben wir in unserem Buch „Monopoly“ die kommenden Kriege analysiert und geschrieben: „Wer die Welt beherrschen will, muss die Kontrolle über das Erdöl gewinnen und zwar über das gesamte Erdöl, wo immer es sich befindet.“ Wenn Ihr eine Großmacht seid, kann es Euch nicht genügen, nur die eigene Ölversorgung zu sichern. Ihr würdet mehr wollen, das Maximum. Nicht nur wegen der enormen Gewinne, sondern weil Ihr mit einem Monopol in der Lage wäret, es Eueren stärksten Konkurrenten zu entziehen bzw. sie zu zwingen, Euere Konditionen zu akzeptieren. Ihr würdet über die stärkste Waffe verfügen. Erpressung? Jawohl! Seit 1945 haben die USA haben alles getan, um sich das Monopol über das Öl zu verschaffen. Ein Rivale wie Japan beispielsweise war für seine Energieversorgung zu 95% von den USA abhängig. Damit war sein Gehorsam gesichert. Aber die Kräfteverhältnisse ändern sich. Die Welt wird multipolar. Die USA sehen sich heute mit einem erstarkenden China, einem wiedererstarkenden Russland, dem Aufstieg Brasiliens und anderer Länder des Südens konfrontiert. Es wird zunehmend schwieriger, das Monopol aufrecht zu erhalten. Das libysche Öl macht nur 1-2% der Weltproduktion aus? Einverstanden, aber es ist von bester Qualität, einfach zu gewinnen und folglich hoch rentabel. Zudem liegt das Land in unmittelbarer Nähe von Italien, Frankreich und Deutschland. Öl aus dem Vorderen Orient, Schwarzafrika oder Schwarzafrika zu importieren, ist mit viel höheren Kosten verbunden. Wir haben es also ganz offenkundig mit einem Kampf um das schwarze Gold Libyens zu tun. Das gilt ganz besonders für Frankreich. Dieses Land hatte am stärksten auf die mittlerweile allzu riskant erscheinende Atomenergie gesetzt. In diesem Zusammenhang ist es nötig, an zwei Tatsachen zu erinnern:

1. Gaddafi wollte den Anteil des libyschen Staates am Öl von 30 auf 51% erhöhen;

2. Am 2. März hatte Gaddafi darüber geklagt, dass die Ölproduktion seines Landes auf sein niedrigstes Niveau gefallen sei. Er hatte angedroht, die westlichen Firmen, die Libyen verlassen hatten, durch chinesische, russische und indische Gesellschaften zu ersetzen. Ist es ein Zufall? Immer dann, wenn ein afrikanisches Land anfängt, sich China zu zuwenden, bekommt es Probleme.

Noch ein weiterer Hinweis: Ali Zeidan ist der Mann, der die Zahl von den 6.000 toten Zivilisten lanciert hat, die Opfer der Bombardierungen Gaddafis geworden seien. Er ist gleichzeitig der Sprecher des Übergangsregierung, also der oppositionellen Regierung, die Frankreich anerkannt hat. In dieser Funktion hat Ali Zeidan erklärt, „ die unterzeichneten Verträge werden eingehalten“. Die zukünftige Regierung, „werde jedoch „die Nationen berücksichtigen, die uns geholfen haben.“ Wir haben es also ganz offensichtlich mit einem weiterer Krieg um das Erdöl zu tun. Allerdings wird er nicht nur gegen Libyen geführt.

WOHER KOMMEN DIE RIVALITÄTEN ZWISCHEN USA, FRANKREICH UND DEUTSCHLAND?

Wenn der Krieg gegen Libyen nur humanitären Charakter hätte, wären die Auseinandersetzungen zwischen den kriegsführenden Staaten nicht nachzuvollziehen. Warum hat sich Sarkozy beeilt, als Erster mit den Bombardements zu beginnen? Warum war er so verärgert, als die Nato die Führung der Kriegsoperationen übernehmen wollte? Sein Argument, „die Nato sei in den arabischen Ländern nicht populär“ kann man nicht ernst nehmen. Als ob er, Sarkozy, der Israel und Ben Ali unterstützt hat, so populär wäre! Warum waren Deutschland und Italien so zurückhaltend bei diesem Krieg ? Warum hatte der italienische Minister Frattini zunächst erklärt, man müsse „die Souveränität und Integrität Libyens verteidigen“ und „Europa dürfe nicht die Demokratie nach Libyen exportieren“? Nur unterschiedliche Ansichten, wie humanitäre Unterstützung effektiv gestaltet werden kann? Nein, auch hier werden ökonomische Interessen deutlich. Europa steckt in einer Krise. Die Rivalitäten werden zunehmend stärker. Noch vor einigen Monaten drängelte man sich nach Tripolis, um Gaddafi zu umarmen und große Verträge mit Libyen abzuschließen. Diejenigen, die dabei erfolgreich waren, hatten kein Interesse, die Verträge wieder in Frage zu stellen. Ganz im Gegensatz zu denen, die leer ausgegangen waren! Wer war der Hauptkunde für libysches Öl? Italien. Wer stand an zweiter Stelle? Deutschland. Schauen wir uns die Investitionen und Exporte der europäischen Mächte an.

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